SPORTFACHHANDEL – Die Branche bewegt sich in einem dynamischen Umfeld und ist in vielen Bereichen gefordert: Mit einer neuen Grundbildung, Fachkräftemangel, Lieferengpässen sowie der Digitalisierung und dem E-Commerce. Doch der Megatrend «Gesundheit» bietet eine grosse Chance, die der Verband Sportfachhandel Schweiz ASMAS innovativ anpackt.
Der Schweizer Sportmarkt 2021 (ohne Bike) profitierte – wie viele andere Non-Foodmärkte – von der Pandemie und verzeichnet eine Wachstumssteigerung von 14 Prozent auf knapp zwei Milliarden Franken. Damit erreicht er ein Rekordniveau. Auch die Umsätze im Wintersport Hartwarenbereich waren in der vergangenen Saison sehr gut. «Langlauf erschliesst neue Zielgruppen und entwickelt sich prächtig», freut sich ASMAS-Präsident Peter Bruggmann. Und er doppelt nach: «Wie letztes Jahr ist dem Sport sicher wieder zugutegekommen, dass Frau und Herr Schweizerin und Schweizer viel zuhause waren, weniger Zeit mit Reisen und Ferien im Ausland verbrachten und auch übliche Ausgaben für Kultur, Restaurants, Clubs wegfielen.» Dadurch blieb unter anderem auch mehr übrig für den Sportmarkt – und auch für Themen wie draussen sein, Natur, Fitness, Gesundheit, gutes Körpergefühl und auch No-Bodyshaming. «Grundsätzlich hat die Branche die Pandemie gut überstanden. Es darf aber nicht ausseracht gelassen werden, dass es auch im Sportbereich grosse Verlierer gab», konkretisiert Bruggmann. So wurde während Monaten der gesamte Amateursport ausgesetzt, was sich negativ auf die Umsätze ausgewirkt hat. Zudem ist die Sportbranche stark von der Demodierung der Ware betroffen, was sich negativ auf die realisierten Margen auswirkt, respektive zu Preisabschlägen führt. Auch der zweite Lockdown im wichtigen Winterhalbjahr hat Löcher in die Kassen des Sporthandels gerissen.
Der Online-Anteil bei Sportartikeln ist zwischen 2019 und 2021 um 11 auf 27 Prozent gestiegen – unter anderem auch pandemiebedingt. Sport gehört somit neben Heimelektronik, Spielwaren, Fashion und Schuhen zu den stärksten Onlinemärkten. Doch noch immer werden über zwei Drittel der Produkte im stationären Handel verkauft. Auch reine Onlinehändler suchen nach Standorten, wo Produkte präsentiert werden können. Bruggmann glaubt, dass der Online Handel weiterwachsen wird. «In Zukunft wird auch Omni Channel und Social Commerce eine wichtige Rolle spielen und Marktanteile gewinnen.» Produkte, welche beratungs- und serviceintensiv sind, werden eher im stationären Handel eingekauft. «Zur Beratung gehört in der heutigen Zeit nicht nur das Produkt, sondern Anwendung, Haptik, Kundennutzen und auch Tipps zur Verwendung beispielsweise Tourenvorschläge im Outdoor- und Reisebereich, persönliche Erfahrungsberichte des Verkaufspersonals. Im stationären Handel sind Emotionen wichtig», erklärt Bruggmann.
Neue Grundbildung mit breitem Fachwissen
Eine zentrale Aufgabe des Verbandes ist die Aus- und Weiterbildung. Die ASMAS ist einerseits verantwortlich für die branchenspezifische Grundausbildung der Detailhandelsfachleute und -assistenten Sportartikel, andererseits bietet der Verband Weiterbildungen in verschiedenen Bereichen der Warenkunde an. «In Zusammenarbeit mit anderen Detailhandelsverbänden führen wir verschiedene Kurse zu den Themen der Digitalisierung, Soziale Medien durch», so Bruggmann. Ebenfalls engagiert sich der Verband im Bachelor Lehrgang BSC Retail Management, der von der Textilfachschule angeboten wird. Pro Jahr schliessen etwa 300 Detailhandelsfachleute und etwa 25 Detailhandelsassistenten/innen die Ausbildung in der Branche Sportartikel ab. Ab diesem Jahr wird mit dem verkauf2022+ im Detailhandel eine neue Grundbildung eingeführt. Damit wird die Ausbildung im Detailhandel praxisorientierter und digitaler. «Anstelle von zehn dürfen wir die Lernenden neu während 14 Tagen in den Überbetrieblichen Kursen schulen. Wir freuen uns, mehr Zeit zu haben, um den jungen Leuten Fachwissen zu vermitteln», so Bruggmann.
In der Sportartikelbranche schreitet die Spezialisierung indessen weiter voran. Die Lernenden erhalten während ihrer Lehre ein breites Fachwissen, um nach der Ausbildung für verschiedene Bereiche gerüstet zu sein – denn im Sportfachhandel sind Service- und Dienstleistungsorientierung immer wichtiger. «Ein kompetenter Umgang mit den digitalen Werkzeugen wird zur Selbstverständlichkeit. Ebenfalls ist eine hohe Fachkompetenz gefragt für die Beratung der Kundinnen und Kunden», erklärt Bruggmann. In Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Textilfachschule STF wurde Bachelor/HF in Retail Management ins Leben gerufen. Der erste Kurs startet im Herbst 2022.
Nach Abschluss dieses Studiums agieren «Retail-Manager/innen» entlang der gesamten Handelskette, insbesondere rund um die Verkaufsprozesse, in (inter-)national ausgerichteten Unternehmen der Sportartikel-, Schuh- und Modeindustrie.
Eine grosse Herausforderung für die Branche ist der Fachkräftemangel. «Die Ausbildungsplätze können in den meisten Fällen besetzt werden. Jedoch ist die Anzahl der Bewerbungen auf die einzelnen Lehrstellen rückläufig», stellt Bruggmann fest. Allerdings ist es schwierig, ausgebildete Fachkräfte zu rekrutieren: «Dies hängt unter anderem mit der Pandemie zusammen. Unsere Fachhändler sind aber auch gefordert, attraktive Arbeitsmodelle zu entwickeln und anzubieten. Nur so wird es uns gelingen, den Nachwuchs in der Branche zu sichern.» Doch bezüglich Nachwuchses überlässt ASMAS nichts dem Zufall. «Wir werden im Herbst 2022 mit dem Start der neuen Berufsbildung einen neuen Weg bei der Rekrutierung von Lernenden gehen. Dies um die Basis, das heisst die Grundbildung zu stärken und wieder mehr Lernende für unser Berufsbild und den dualen Bildungsweg zu begeistern.» Zudem führt der engagierte Verband verschiedenste Fachkurse für Neu- bzw. Wiedereinsteiger in die Branche durch.
Der Megatrend «Gesundheit» als grosse Chance
Eine grosse Hürde sind zurzeit die Lieferketten. Rohstoffbeschaffung, Engpässe bei den Fracht- und Hafenkapazitäten, durch Ukraine Krieg gesperrte Alternativrouten mit der Eisenbahn über die Seidenstrasse, und hohe Transportpreise per Flugzeug stellen die Branche vor grosse Herausforderungen. Auch der Produktionsstandort Ukraine fällt im Moment fast komplett aus. «Damit die Sportartikel zur richtigen Zeit im Geschäft sind, benötigt dies Verständnis, Engagement und Anpassungsfähigkeit von Seiten Handel und Industrie. Wir sind gefordert, diese Ausgangslage proaktiv anzugehen.» Ebenso muss sich die Branche mit der Digitalisierung auseinandersetzen und sich in diesem Bereich weiterentwickeln. «Wir sind in vielen Bereichen noch in den Kinderschuhen. Das beginnt mit der Qualität von Produktedaten und zieht sich bis zur Möglichkeit qualitative hochwertige Daten auch zu verarbeiten und einen optimalen Datenaustausch auf allen Ebenen (Lieferant-Händler-Kunde) zu ermöglichen», so Bruggmann.
Mit dem «Projekt ASMAS 2025+» rüstet sich ASMAS für die Zukunft und stellt die Weichen, um auch in den kommenden Jahren ein attraktiver Verband für die Mitglieder zu sein. Dabei gilt es, die Mitglieder die richtigen Rahmenbedingungen in ihrem Marktumfeld zu schaffen und entsprechend die besten Dienstleistungen anzubieten. Vor allem seit der Pandemie ist die Bedeutung von körperlicher Unversehrtheit zu einer Schlüsselressource geworden: «Sport und Bewegung prägt den Lebensstil vieler Menschen und ist ein wichtiger Lebensinhalt. Davon kann der Sporthandel jetzt und in Zukunft profitieren.»
Corinne Remund