Eindrückliche «Disu»-Show beim Oberaargauischen Schwingfest vor 5000 Zuschauern im Campus Perspektiven in Huttwil. Matthias Aeschbacher vom Schwingklub Sumiswald gewann alle sechs Gänge und liess sich nach dem Schlussgangsieg über Marcel Kropf (Mümliswil) als überragender Sieger feiern. Das gut gelaunte Publikum erlebte ein Fest voller Volklore, Tradition und Schweizer Brauchtum.
Schwingfeste liegen im Trend, nicht bloss bei der älteren Generation. Nein, auch die junge Schweizer Garde hat den Schweizer Nationalsport entdeckt. Zu Tausenden strömen sie an die Schwingfeste und jubeln den Athleten im Sägemehl zu, geniessen Schweizer Traditionskost (Bratwurst mit Brot, Chäsbrägu, Ragout oder Sandwiches), zelebrieren das Beisammensein, den friedlichen Wettkampf und die Geselligkeit. Dabei kommt es weder zu Pfeifkonzerten, Ausschreitungen, Sachbeschädigungen noch zu Gewaltdelikten. Schwingfeste sind ein friedliches Volksfest, das auch auf die junge Schweizer Bevölkerung eine grosse Anziehungskraft ausübt. So war es jüngst auch in Huttwil beim Oberaargauischen Schwingfest. Im Mittelpunkt stehen dabei die Schwinger, die mittlerweile zu kleinen «Popstars» aufgestiegen sind und bei Herr und Frau Schweizer in der Promi-Beliebtheitsskala ganz weit oben rangieren.
Zu ihnen gehört mittlerweile auch der 26-jährige Matthias Aeschbacher aus Rüegsauschachen im Emmental. Der Mann ist in Form. Nach dem Sieg beim Mittelländischen Schwingfest und der Schlussgangteilnahme beim Emmentalischen Schwingfest (Niederlage gegen Christian Stucki) triumphierte Matthias Aeschbacher nun auch beim Oberaargauischen Schwingfest in Huttwil. Und wie: «Disu» war der grosse Dominator vor 5000 gut gelaunten Zuschauern auf dem Campus Perspektiven. Der 26-jährige Rüegsauschacher vom Schwingklub Sumiswald gewann alle sechs Gänge und lag am Ende mit 59,50 Punkten überlegen an der Ranglistenspitze, 1,5 Punkte vor Überraschungsmann Simon Röthlisberger aus Leimiswil.
Nur scheinbar müheloser Erfolg
Aeschbacher verbrachte in Huttwil einen scheinbar ruhigen Pfingstsamstag, stand er doch bei keinem seiner sechs Gänge länger als vier Minuten im Sägemehl. Was auf den ersten Blick nach einem mühelosen Erfolg für den Emmentaler aussieht, war es aus Sicht des 191 cm grossen und 111 kg schweren Athleten aber keineswegs: «Nein, das war es in der Tat nicht. Einige Male war es sehr knapp, auch wenn man das von aussen nicht so wahrgenommen hat», gab er nach seinem Triumph zu verstehen. Dabei wies er auf den fünften Gang gegen Kilian von Weissenfluh hin. Der 22-jährige Oberländer leistete dem Sumiswalder zweifellos am meisten Widerstand. «Beinahe hätte er einmal zu einem Hochschwung ansetzen können, den ich nur mit Mühe verhindern konnte», erwähnte «Disu» Aeschbacher. Doch am Ende setzte sich der Sumiswalder auch in diesem Gang durch und qualifizierte sich souverän für den Schlussgang, wo er auf den Oberaargauer Marcel Kropf (Mümliswil) traf. Nach einer kurzen Abtastphase reüssierte Aeschbacher auch hier gleich im ersten Zug. Dabei hätte er mit seinem komfortablen Vorsprung auf die Gegnerschaft gar nichts riskieren müssen, doch das entsprach nicht Aeschbachers Vorstellungen. «Ich wollte etwas riskieren und war vor dem Schlussgang der Meinung, dass selbst bei dieser Ausgangslage Angriff die beste Verteidigung ist. Das hat sich bezahlt gemacht», schilderte Matthias Aeschbacher seine Schlussgang-Taktik.
«Ein solcher Erfolg vor heimischem Publikum ist schlicht sensationell», zeigte sich der Sieger des «Oberaargauischen» nach dem Schlussgang überglücklich. Damit wurde «Disu» seiner Favoritenrolle gerecht. Eine Rolle, die ihm nicht gross auf den Schultern lastete, wie er gegenüber dem «Unter-Emmentaler» erzählte. Zwar lief er bei der Vorbereitung auf den Schlussgang wie ein gestresster Tiger hinter dem Medienwagen auf und ab, doch dies sei ein normales Ritual, versicherte er. «Natürlich ist man vor einem Schlussgang etwas nervös, aber die Resultate vor dem Fest in Huttwil haben mir enorm viel Druck weggenommen», sagte er. Seine Bilanz sei bereits vor dem «Oberaargauischen» hervorragend gewesen, deshalb habe er sich in Huttwil nicht unter Erfolgszwang gefühlt. «Die bisherigen Ergebnisse haben mir viel Ruhe und Selbstvertrauen gegeben.»
Erster Gang als Schlüsselerlebnis
Der Sumiswalder blieb auch im Erfolg bescheiden und sprach davon, dass er bei seinem Sieg auch von der Gegnerschaft profitiert habe. «Alle meine hartnäckigsten Konkurrenten verzeichneten Gänge, in denen es ihnen nicht optimal lief.» Im Gegensatz zu ihm selber, der den ersten Gang als Schlüsselerlebnis zum Erfolg bezeichnete, als er den «Eidgenossen» Willy Graber, der vor einer Woche beim Emmentalischen Schwingfest seinen 100. Kranzerfolg feierte, bezwingen konnte. «Dieser Sieg hat mir mächtig Auftrieb gegeben», sagte Matthias Aeschbacher.
Angesprochen auf seinen starken Saisonstart wies der Emmentaler auf Veränderungen in seiner Vorbereitung hin. «Ich habe im Hinblick auf diese Saison sehr viel investiert, deutlich mehr als in den Jahren zuvor», sagte er und erwähnte, dass er beruflich kürzergetreten sei und sein Arbeitspensum reduziert habe. Im mentalen sowie im Kraftbereich habe er deshalb zulegen können. Denn eines ist für ihn klar, mit den bisherigen Erfolgen will er sich nicht begnügen. Er habe weitere Ziele, die er verfolge, betonte er. «Eines meiner Ziele in dieser Saison ist zweifellos das Erringen des Bergkranzes auf dem Stoos, der mir noch fehlt», gab er zu verstehen. Weiter hinaus wollte er nicht blicken, auch das «Eidgenössische» im nächsten Jahr sei für ihn noch kein Thema. Gegen aussen vielleicht, doch im Innern hat «Disu» Aeschbacher längst Kurs Richtung Zug aufgenommen, das bestätigen seine Aussagen, aber nicht zuletzt auch sein souveräner Auftritt in Huttwil, der gezeigt hat, dass der Aeschbacher mächtig «Disu» im Tank hat, mit dem er zweifellos auch 2019 in Zug weit nach vorne «fahren» könnte.
Walter Ryser