«Statt Fluchtort Schweiz – mehr Hilfe und Menschlichkeit direkt vor Ort»

    Alt Nationalrat Luzi Stamm ist überzeugt, man muss dort helfen, wo jeder eingesetzte Franken unendlich viel mehr Hilfe und Menschlichkeit bringt als bei uns. Deshalb hat er die Eidgenössische Volksinitiative «Hilfe vor Ort im Asylbereich» lanciert und sammelt jetzt Unterschriften dafür. Hier erklärt er, wieso ein Kurswechsel im Asylbereich bitter nötig ist und wieso es ökologisch und humanitär sinnvoller ist, das Geld für die Asylpolitik vor Ort zu investieren.

    (Bild: zVg) Alt Nationalrat Luzi Stamm: «Wir benötigen dringend eine neue Asylstrategie.»

    Sie haben zusammen mit einem 10-köpfigen Initiativkomitee die Eidgenössische Volksinitiative «Hilfe vor Ort» lanciert. Wie läuft die Unterschriftensammlung?
    Luzi Stamm: Leider harzig, weil wegen Corona keine Veranstaltungen stattfinden und man auf der Strasse kaum sammeln kann.

    Wieso sollen die Stimmberechtigten diese Initiative unterstützen?
    Hand aufs Herz: Wer würde sein Geld für schweizerische Wohnungseigentümer, Juristen, Übersetzer, Ärzte, Psychiater, Sozialarbeiter, Privatlehrer, «Job-Coaches», «Sondersettings» etc. ausgeben, wenn er 1’000 mal effizienter direkt im Krisengebiet helfen könnte. Wer die Millionen von Flüchtlingen oder sogar Hungernden (zum Beispiel in Äthiopien) weltweit betrachtet, muss sich fragen: Wo würde ich Geld spenden, wenn ich 100, 1’000 oder 10’000 Franken zur Verfügung hätte.

    Oder wenn Sie sogar 5 Millionen Franken hätten: Würden Sie wirklich zwei Flugzeuge mieten und 170 Migranten in die Schweiz fliegen, die dann Jahre und Jahrzehnte den Steuerzahler mehr kosten werden als der gesamte National- und Ständerat? Weshalb führt die Schweiz solche Aktionen durch – notabene von einer einzigen Bundesrätin im Alleingang angeordnet. Das ist meines Erachtens nicht nur absoluter Verhältnis-Blödsinn, sondern auch eine schreiende Ungerechtigkeit gegenüber den Millionen Menschen, die weltweit verhungern oder schwer krank sind und mit ein paar Franken geheilt werden könnten.

    Mit der Initiative streben Sie einen Kurswechsel im Asylbereich an. Wieso ist dies notwendig?
    Nach Corona werden die Zahlen wieder steigen. Ein Luzerner CVP-Regierungsrat hat unter dem Titel «Wir brauchen eine neue Asylstrategie – jetzt» geschrieben: «Was auf uns zukommt, wird die Flüchtlingswelle von 2015 massiv übertreffen. Wenn wir uns nicht jetzt darauf vorbereiten, werden wir davon gnadenlos überrollt. Jeder 25-Jährige, der den Eintritt in den Arbeitsmarkt nicht schafft, verursacht bis zum AHV-Alter Sozialhilfekosten von rund einer Million Franken.»

    Es ist meines Erachtens unhaltbar, wenn jeder Migrant, der in Chiasso die Grenze überschreitet und das «Zauberwort Asyl» ausspricht, faktisch lebenslang in der Schweiz bleiben kann. Die Kosten dieser Politik sind grotesk, über 10 Milliarden Franken pro Jahr! Und dies für wenige «Privilegierte», denn im Vergleich zu den mehr als 70 Millionen Flüchtlingen weltweit ist die Zahl der bei uns Aufgenommenen verschwindend klein.

    Sie sagen, Ihre neue Asylstrategie sei ökologisch und appellieren an die humanitäre Schweiz. Erklären Sie das kurz.
    Ökologie: Der Pro-Kopf-Verbrauch von Strom, Benzin etc. – und somit auch die CO2-Emissionen – sind in den Herkunftsländern selbstverständlich viel tiefer als in der Schweiz. Experten sagen, dass bei uns ein Mensch durchschnittlich 20 mal mehr CO2 produziert als in Afrika.
    Humanität: Die Präsidentin des UNO-Kinderhilfswerk UNESCO hat mir zu meinem Erstaunen im Bundeshaus gesagt, es sei eine Zumutung, dass Europa mehr als 20’000 syrische Ärzte aufgenommen habe, während an den Grenzen Syriens (zum Beispiel Jordanien und Libanon) in den Hilfszentren medizinisches Personal gefehlt habe! Man müsste dringend in internationaler Zusammenarbeit Hilfszentren aufbauen, wo echte Flüchtlinge aufgefangen und menschenwürdig untergebracht werden können. Wenn diese Volksinitiative von der Bevölkerung an der Urne gutgeheissen wird, geht die Schweiz mit gutem Beispiel voran. Unser Land hat aufgrund seiner humanitären Tradition weltweit einen hervorragenden Ruf. Wenn es uns gelingen würde, zusätzlich den Anstoss für «internationale Schutzzonen für Flüchtlinge» zu geben, wäre dies eine hervorragende Sache.

    Was will die Initiative konkret respektive was wird in der Bundesverfassung betreffend Asylbereich geändert?
    Es wird als Grundsatz statuiert, dass nicht mehr jeder Migrant einfach die Schweiz als Fluchtort wählen kann. Vielmehr muss die Schweiz in Zusammenarbeit mit anderen Ländern Schutzgebiete schaffen, in denen echte Flüchtlinge möglichst nahe am Krisengebiet in einem zugeteilten Land geschützt werden können. Mit gutem Willen wäre dies praktisch überall möglich. Ein konkretes Beispiel ist die Offerte des ägyptischen Geschäftsmannes Sawiris, welcher der Schweiz angeboten hat, in Ägypten Flüchtlings-Dörfer zu bauen (Sawiris erhielt auf sein «Milliarden-Angebot» nicht einmal eine Antwort vom Bundesrat).

    Sie setzen in der Initiative auf Hilfe vor Ort. Wieso ist dies der richtige Ansatz?
    Man muss dort helfen, wo jeder eingesetzte Franken am meisten Hilfe und Menschlichkeit bringt. Es geht doch nicht, dass wie beispielsweise im zürcherischen Hagenbuch für eine einzige eritreische Familie mehr als eine halbe Million Franken im Jahr ausgegeben wird. Es geht doch nicht, dass für die Familie des Jugendlichen, der seine 64-jährige Lehrerin zusammenschlug und ihr auf brutalste Weise den Kiefer brach, im aargauischen Möriken/Wildegg Jahr für Jahr für «Sondersetting» etc. mehr als 300’000 Franken ausgegeben werden.

    Wer steckt hinter dem Initiativkomitee?
    Die Initiative stammt aus meiner Hand, moralisch unterstützt durch meinen Musiker- Freund aus den alten Rock’n’Roll Zeiten – Marc Baur. Er lebt schon lange in Kenia und kennt die Verhältnisse vor Ort hervorragend. Mit meinem besten politischen Freund im Rücken – Nationalrat Lukas Reimann (SVP/SG) – habe ich den Text über Monate hinweg mit Experten in Bern bereinigt. Danach suchte ich Vertreter von Hilfsorganisationen. Erfreulicherweise machten bei der Vereinsgründung die in die Schweiz geflüchteten Sadun Dara (Syrien), Berhaene Yohannes (Eritrea) und Adjei Adu (Ghana) mit. Zudem gehören zum Komitee die drei Nationalrätinnen Andrea Geissbühler (SVP/BE), Therese Schläpfer (SVP/ZH) und Barbara Keller-Inhelder (SVP/SG), die mit dem Thema am Besten vertraut sind.

    Interview: CR


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