Das Denken und Handeln des Schweizer Heimatschutzes ist seit Jahrzehnten geprägt vom Verständnis der Nachhaltigkeit und einem damit verbundenen schonenden Umgang mit Ressourcen. Martin Killias, Präsident des Schweizer Heimatschutz, stellt die Organisation und ihr grosses Engagement bezüglich der Themen Baukultur, Energie und Klima vor.
Was sind die Hauptaufgaben des Schweizer Heimatschutzes?
Martin Killias: Generell die Verteidigung hochwertiger Bauten und Ortsbilder gegen Abbrüche oder störende Umbauten. Dazu gehört die Schaffung des Bewusstseins für die Werte der traditionell hohen Baukultur in unserem Land.
Wie wird der Schweizer Heimatschutz in der Öffentlichkeit wahrgenommen?
Wer geschützte Bauten oder Ortsbilder zerstören will, stört sich an unseren oft erfolgreichen Interventionen. Wer an einem schönen Ort lebt, freut sich, wenn es uns gelingt, dessen Bewahrung zu erkämpfen.
Wie steht es um den Wert der baukulturellen Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten der Schweiz?
In all den Jahrhunderten wurde nicht annähernd so viel abgebrochen wie seit 1960. Wir leben in einer Zeit von aussergewöhnlicher Kulturzerstörung.
Aufgrund einer nie dagewesenen Abbruchwelle in der Schweiz wie auch im Rahmen des Klimaschutzes wird es immer schwieriger, Bauten und Freiräume aus allen Jahrhunderten zu erhalten. Wie meistert der Schweizer Heimatschutz diese Herausforderung?
Sie haben Recht, die Herausforderung ist riesig. Aber was können wir anderes tun, als uns zu wehren? Sollen wir aufgeben und alles zulassen? Natürlich müssen wir täglich Kompromisse eingehen, weil wir nicht überall intervenieren können.
Wie stark schaden energie- und versorgungstechnische Entscheide in Zusammenhang mit dem CO2-Gesetz dem Heimatschutz?
Generell gilt es, die Umwelt- und Klimaziele zu erreichen, ohne unnötig viel Flurschaden anzurichten. Abbruchprämien (wie im Entwurf des CO2-Gesetzes) schaden, weil nichts die Umwelt so stark schädigt wie das Abbrechen – da mögen die Neubauten noch so energieeffizient sein.
Auch uralte Kulturdenkmäler in den Bergen sind gefährdet aufgrund des revidierten RPG-Gesetztes. Wie reagiert der Schweizerische Heimatschutz darauf?
Es kann nicht die Lösung sein, alte Ställe massenhaft in Ferienhäuser umzuwandeln – denn dann verlieren sie ihren Charme, auch weil sie dann keine Ställe mehr sind. Umgekehrt soll man sie auch nicht einfach zerfallen lassen oder gar – gefördert durch Subventionen – abbrechen. Unsere Lösung inspiriert sich an dem, was man seit langem mit alten Kirchen und Kapellen oder Burgruinen macht: Man unterhält sie lediglich, bricht sie nicht ab, aber baut sie auch nicht zu Ferienhäusern um. Alte Ställe, oft aus dem Spätmittelalter stammend, leben problemlos weitere Jahrhunderte weiter, wenn ihr Dach geflickt wird. Das kosten vielleicht mal 10’000 Franken pro Dach, alle 100 – 200 Jahre.
Sie haben die Landschafts- und Biodiversitätsinitiative lanciert. Was wollen Sie damit erreichen?
Zunächst gehört der Schutz von Natur und Landschaften ebenfalls zu unseren statutarischen Zielen. Sodann haben diese beide Initiativen auch Auswirkungen auf die alte Baukultur in den Bergen.
Der Schweizer Heimatschutz propagiert die «Klimaoffensive Baukultur». Was versteht man darunter und was wollen Sie damit erreichen?
Es gilt Wege aufzuzeigen, wie die Energiewende herbeigeführt werden kann, ohne die Baukultur – und insbesondere die historischen Bauten – zu gefährden.
Die Ferienwohnungen der Stiftung Ferien im Baudenkmal sind gefragter denn je. Auf was führen Sie dies zurück?
Der Mensch hat ein Bedürfnis nach Erinnerung. Baudenkmäler vermitteln den Sinn dafür, dass wir Teil einer uralten Entwicklung sind. Das macht bescheiden. In den Ferien können wir diese Erinnerung besonders gut pflegen. Das tun auch die vielen Touristen, die in fremden Ländern vor allem historische Orte aufsuchen.
Auch das Heimatschutzzentrum entwickelt sich erfreulich und die Besucherzahlen steigen wieder. Wieso lohnt es sich dem Heimatschutzzentrum einen Besuch abzustatten?
Das Heimatschutzzentrum bringt mit seinen Ausstellungen, Theatertouren und Ateliers den jährlich rund 6’500 Besucherinnen und Besuchern näher, was eine qualitätsvolle Baukultur ausmacht. Aktuell debattieren wir die Frage «Bijou oder Bausünde?» z.B. anhand von Betonbauten.
Zum ersten Mal in seiner Geschichte erweitert der Schweizer Heimatschutz seine Geschäftsstelle mit einem Büro in der Westschweiz. Wieso dieser Schritt und was bedeutet er für Ihre Institution?
Jede nationale Organisation ist bestrebt, in den verschiedenen Landesteilen präsent zu sein. Wir möchten keine reine Deutschschweizer Organisation sein!
Welches sind die wichtigsten Projekte für den Schweizer Heimatschutz in den nächsten Jahren?
Generell geht es darum, die gegenwärtige Phase der Massenzerstörung von Bauten zu überstehen. Wir sind zuversichtlich, dass das Interesse an historischen Bauten und Ortsbildern und Schöpfungen der modernen Architektur in einigen Jahren stark zunehmen wird.
Was würden Sie als die grössten Herausforderungen bezeichnen?
Wir müssen dringend dafür sorgen, dass die Bedeutung von Orten und Bauten, an die sich das Erinnern der Menschen knüpft, wieder mehr anerkannt wird. Heimatschutz ist kein «linkes» und kein «rechtes» Anliegen. Es geht um Orte und Objekte, die für uns alle wichtig sind. Vor allem diejenigen, die sich nicht irgendwo im südlichen Europa eine schöne Ersatz-Heimat leisten können.
Interview: Corinne Remund
Gemeinsam für mehr Baukultur
Als Ausdruck eines zivilgesellschaftlichen Engagements stösst der Schweizer Heimatschutz Diskussionen zur nachhaltigen Entwicklung der gestalteten Umwelt an. Unter dem Motto «Gemeinsam für Baukultur von gestern, heute und morgen» setzen wir uns mit unseren Projekten, Publikationen und politischen Aktivitäten schwerpunktmässig in folgenden Bereichen ein:
- Baudenkmäler schützen und erlebbar machen.
- Dörfer und Städte in ihrer Entwicklung begleiten.
- Unsere Landschaften erhalten und pflegen.
- Ressourcen schonen und der Umwelt Sorge tragen.
Ein besonderer Fokus unserer Aktivitäten liegt aktuell auf den drei Bereichen «Umwelt und Nachhaltigkeit», «Zivilgesellschaftliches Engagement» und «Baukulturvermittlung».
Umwelt und Nachhaltigkeit
Seit den 1970er-Jahren ist das Denken und Handeln des Schweizer Heimatschutzes geprägt vom Verständnis der Nachhaltigkeit und einem damit verbundenen schonenden Umgang mit Ressourcen. Aktuelle Diskussionen zum Klima und gesellschaftliche Trends hin zu einer nachhaltigen Entwicklung bestärken den Schweizer Heimatschutz in seiner Position.
Zivilgesellschaftliches Engagement
Getragen von rund 27’000 Mitgliedern, Gönnerinnen und Gönnern leisten hunderte von ehrenamtlich tätigen Expertinnen und Experten des Schweizer Heimatschutzes einen wichtigen Beitrag zum Erhalt und zur nachhaltigen Entwicklung des gebauten Kulturerbes in der Schweiz. Wir wollen für die Baukultur von gestern, heute und morgen begeistern.
Baukulturvermittlung
Wir schützen nur, was wir lieben, wir lieben nur, was wir kennen. Die Vermittlung von baukulturell relevanten Inhalten ist eine der zentralen Aufgaben des Schweizer Heimatschutzes. Durch verschiedene Angebote wird zielgruppengerecht Wissen vermittelt und über baukulturelle Werte diskutiert. Wir leisten durch unsere Vermittlungsarbeit einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der gesellschaftlichen Relevanz und Wertschätzung des baukulturellen Erbes.