«Werden alle unsere Teilnehmenden den Schritt ins virtuelle Schulzeitalter problemlos schaffen?» Diese Frage stellte sich vor drei Jahren Lernwerkstatt Olten CEO Daniel Herzog. Die Antwort war: Ja, eindeutig. Es habe sich gezeigt, dass sich die Teilnehmenden schnell auf das neue Setting einliessen, das virtuelle Lernen als zusätzliche Lernchance sahen und dabei sogar richtig Spass hatten. Und wie stellt sich die Situation heute dar?
Die Lernwerkstatt Olten (LWO) ging gestärkt aus der Covid-Krise. Und zwar nicht nur, weil man Handlungsschnelligkeit bewies, sondern weil man auch schon zuvor die ersten umsetzbaren und effizienten Digitalisierungsprozesse einleitete. Danach investierte der renommierte Bildungsanbieter mit über 30 Standorten mehrere hunderttausend Franken in den Aufbau einer neuen Lernplattform und in die Produktion von Digital Snacks, um so den individuellen Bedürfnissen der Teilnehmenden gerecht zu werden. Das war der richtige Weg und dafür brauchte es nicht nur ein zukunftsgerichtetes und schlüssiges Digitalisierungskonzept, sondern auch die richtigen Dozierenden. Heute werden bei der LWO 85 Prozent der Lehrgänge im Blended-Setting durchgeführt. Das heisst einzelne Kurstage finden in Präsenzform statt, andere virtuell mit dem Videokonferenzsystem Zoom. Tendenz steigend.
Zukunftstrend Individualisierung
Künftig wird individualisiertes Lernen die Zukunft prägen. «Vor allem die betriebliche Aus- und Weiterbildung fordert die Individualisierung der Bildung schon seit Jahren. Lernen wird vermehrt zeit- und ortsunabhängig stattfinden. Lernangebote würden dann zur Verfügung stehen, wenn neue Kompetenzen benötigt seien. Tempo und Strategie der Know-how-Aneignung würde jede Person selber steuern können, ist Daniel Herzog überzeugt. Und: Die Digitalisierung habe Chancen für neue Methoden geschaffen, die nahe am ursprünglichen Lernen des Menschen seien. Herzog: «Es werden immer mehr spielerische Lernsettings und Applikationen entwickelt, die Teilnehmende in den Bann ziehen und entdeckendes Lernen ermöglichen. Die Virtualisierung und Individualisierung bedarf aber auch einem neuen Rollenverständnis. Der klassische Dozent wird zum Lernbegleiter, Mentor und Online-Tutor. Die Verantwortung für das Lernen verschiebt sich weg von der Lehrperson hin zu den Lernenden. Je nach Lernbiographie werden sich allenfalls bildungsferne Personen in den veränderten Lernsettings nicht sofort zurechtfinden. Neue Rollen benötigen neue Kompetenzen. Nicht jeder gute Dozent ist auch ein guter Lerncoach. Nicht jede und jeder Lernende ist affin zu den neuen Technologien.»
Wir befinden uns also nach wie vor in einem Paradigmenwechsel, der längst nicht abgeschlossen ist. Mit der Zunahme der hybriden und teilweise auch reinen Online-Angeboten wird immer weiter gefeilt an der Art und Methodik des Wissenstransfers über Online-Kurse, Blended Learning, Webinare & Co. Wir befragten einige der Dozierenden, die sich besonders intensiv in diesem Bereich engagieren und auskennen zum Thema: Wie wichtig ist künftig der Online-Unterricht nach den Erfahrungen der letzten drei Jahre und was bedeutet dies für die Unterrichtsgestaltung.
Erkenntnisse von Online-Dozierenden
Lernwerkstatt-Kursleiter Mark Jones, seines Zeichens «Digital Facilitator» und somit ein Experte auf dem Gebiet: «Die Zukunft der Bildung erfordert von den Dozierenden mehr Flexibilität, ausgeprägte Technikaffinität und eine menschliche Note, um über den Bildschirm hinweg Verbindung herzustellen. Dies gehört zu den Anforderungen der Zukunft an Online-Lehrende. Diese müssen indes nicht nur Experten auf ihrem Gebiet sein, sondern auch überzeugen als effektive Kommunikatoren, engagierte Mentoren und technologisch versierte Führungskräfte. Dies sind die spezifischen Anforderungen an Online-Dozierende. Diese müssen lernen, wie man effektiv über digitale Plattformen kommuniziert und dabei die menschliche Verbindung aufrechterhält. Der menschliche Faktor im Online-Unterricht ist also nicht zu unterschätzen.»
Ähnlich sieht es Lernwerkstatt-Kollege Dominik von Känel und unterstreicht dabei auch den Faktor «Gruppendynamik»: «Die Dozierenden müssen verschiedenen Anforderungen genügen, welche anders sind als im Präsenz-Setting. Guter Online-Unterricht zeichnet sich durch eine angepasste Didaktik und Methodik aus. Ausserdem braucht es aus meiner Sicht noch eine höhere Präsenz der Kursleitenden, da man nur «Bilder» des Gegenübers sieht. Auch im Online-Unterricht ist die Gruppendynamik aus meiner Sicht mit den richtigen Entscheidungen beeinflussbar. Zu guter Letzt müssen Dozierende die Online-Tools, welche sie einsetzen, im Griff haben. Die Geduld der Teilnehmenden ist aus meiner Sicht online weniger hoch, als wenn in einem Präsenzunterricht mal etwas nicht gleich klappt.»
Beim Thema «Tools» ist Raffaele Sciortino in seinem Element. Der Webinar-Designer, der viel bei der Lernwerkstatt unterrichtet meint: «Die zunehmende Bedeutung hochwertiger Webinare im Bildungssektor ist deutlich spürbar. Damit wird die Chance geboten, Bildungsinhalte interaktiv, ansprechend und flexibel zu vermitteln. Als Webinar-Designer liegt mein Fokus darauf, durch innovative Gestaltung, klare Strukturierung und die Verwendung moderner Tools ein optimales Lernerlebnis zu schaffen. Denn nur durch eine gelungene Umsetzung können Webinare ihr volles Potenzial entfalten und den steigenden Anforderungen im Bildungssektor gerecht werden.»
Marco Predicatori, Dipl. Erwachsenenbildner HF und Standortleiter Ostschweiz bei der Lernwerkstatt sieht den «grossen Umbau» auch als Chance: «Die digitale Transformation tangiert heute ja alle Geschäftsprozesse. Bildungsinstitutionen erkennen die Möglichkeiten in der Digitalisierung ihrer Prozesse. Dieser Entwicklungsschub, ermöglicht Weiterbildungsanbietern neue Formate mit optimalem Einsatz von Technologien.»
Kursleitende müssten heute sowohl im Präsenzunterricht, als auch im Online-Setting begeistern können, so Daniel Herzog. Dem wurde auch bei der Revision des AdA-Baukastensystems (Ausbildung der Ausbildenden) Rechnung getragen. «Die Module zum SVEB-Zertifikat Ausbilder/in, zum eidg. Fachausweis Ausbilder/in und zum eidg. Diplom Ausbildungsleiter/in finden neu im Blended-Learning-Setting statt. Dadurch kommen die künftigen Bildungsprofis bereits in ihrer Ausbildung mit dem Unterricht via Videokonferenzsystem in Kontakt.»
Zu Beginn der Corona-Pandemie sei man froh gewesen, dass der Unterricht nahtlos fortgeführt werden konnte. Die Teilnehmenden stellten an die Qualität des Online-Unterrichts nur wenig Ansprüche. Herzog: «Heute hingegen erwartet man auch Online einen aktiven und abwechslungsreichen Unterricht. Ergo: Kompetenz im Online-Unterricht ist bei uns zu einem wichtigen Rekrutierungskriterium für Kursleitende geworden. Ohne geht es nicht mehr.»
JoW
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